"Gedicht-Schatztruhe"

Gedichte - alphabetisch nach Stichworten sortiert

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Alter

Altersbeschwerden

Jeder Handgriff fällt uns schwerer,
unser Kopf wird bislang leerer.
Was wir planen zu vollführen,
zwingt uns, uns zu konzentrieren.
Dinge, die uns noch gelingen,
die wir mit Erfolg vollbringen,
können uns mit Stolz erfüllen,
unseren Tagendrang nicht stillen.
Langsam, jedoch mit Bedacht
tun wir das, was glücklich macht.

Alterszeit

Im Alter
hat man Zeit
für vieles.
Aber
man muss sich auch
die Zeit nehmen.

Wasserscheide

Im Lauf des langen Lebens gibt sich:
Wir nähern uns nunmehr der Siebzig.
Die Wasserscheide lässt uns fragen:
Sollen wir es wirklich wagen,
Neues nun noch zu beginnen?
Denn wir spüren ganz tief innen:
Wir sind längstens hier gewesen.
Es war niemals unser Wesen,
so zu leben in   d e n   Sphären,
als wenn wir hier ewig wären,
sondern auf engeren Gassen
immer mehr zurückzulassen.
Mit Bedacht setzen wir Schritte,
finden so zu unserer Mitte,
lassen, was wir vor uns sehen,
ganz gelassen nun geschehen.
Was auch nun geschehen mag
– wir danken für jeden Tag.

Alters-Höflichkeit

Immer mehr Leute
sind zu uns in unserem Alter
besonders höflich,
hören uns geduldig zu,
obwohl sie sich bewusst sind,
was sie noch von uns
erwarten können.
Wir sind ihnen dankbar dafür
– obwohl wir in uns spüren,
was noch von uns zu erwarten ist.

Langer Abschied

Lang ist der Abschied von der Welt.
Schon längst ist der der Entschluss gefällt :
Nicht so zu tun, als ob die Zeit
zu Plänen lockt auf Jahre weit.
So gehen wir gelassen an,
was sich nun noch ereignen kann.
Wir nehmen dankbar an und hin,
was sich ergibt. Doch unser Sinn
ist längst nicht mehr darauf bedacht,
dass er noch große Sprünge macht.
Wir sind noch froh um jeden Schritt,
der sich eröffnet, unseren Tritt
im Rhythmus hält und nicht erschlafft.
Wir gehen mit geschonter Kraft
durch jeden uns geschenkten Tag
– dankbar, dass er uns bleiben mag.

Alters - Unterschied

Der Eine plant noch weiter Reisen,
um auch im Alter zu beweisen:
Recht interessiert an allen Dingen
gilt es sich um die Welt zu schwingen.

Der Andere plant nur noch eine :
die Reise zu sich selbst in seine
eigene Welt zum Abschiednehmen.
Dies kann nicht seine Triebkraft lähmen,
solange er noch fühlt auf Erden,
an einem Ort gebraucht zu werden.
Doch legt er auf dem Weg zum Grab
nun alles, was belastet, ab.

Gelassenes Älterwerden

Recht gelassen wirst du alt.
Vieles lässt dich nunmehr kalt,
was dich vorher manche Nacht
noch um deinen Schlaf gebracht.

Was trotz Mühens nicht geschieht,
macht dich deines Strebens müd'.
Was sich nicht ereignen soll
– dem entsagst du würdevoll.

So gehst du fortan befreit
hin in eine neue Zeit.

Altersgrenze

Ab einem gewissen Alter
spürst du in dir,
was du dir noch
antun willst
und was nicht mehr.

Du ziehst Grenzen
zwischen dem,
was dich weiterhin erfüllt,
und dem,
was dich inzwischen kalt lässt.

Du ruhst zunehmend
in dir selber,
weil du mit dir
im Reinen bist.

Im Wartesaal

Das Alter wird als Wartesaal
vor Ewigkeit bislang zur Qual.
Wir füllen solche Zeiten aus,
sind jedoch nicht mehr ganz zu Haus,
wo wir derzeit gebunden sind.
Bewusstsein dieses Wegs gewinnt
in unserem Innern weiter Raum.
Wir leben halbwegs in dem Traum,
dass wir schon bald am Ziel dort steh'n,
wo wir gelassen rückwärts seh'n.
Solang dies währt, sind wir bereit
und stellen uns dem Ruf der Zeit,
des Augenblicks, er uns nun gilt
und diese Frist mit Leben füllt.

Erklärung

Was wir "senile Bettflucht" nennen,
ist die Erfahrung, die wir kennen:
Wir spüren: Uns enteilen Stunden
und haben nicht zum Ziel gefunden.
So viel blieb unvollendet liegen.
Wir möchten unsere Angst besiegen,
dass wir ein Vorhaben nicht schafften
und dies danach nur schwer verkraften.
So mühen wir uns vorzusehen
und stets beizeiten aufzustehen,
um unser Werk mit regen Händen
– zufrieden mit uns – zu vollenden.

Abschied in Raten

Abschied vollzieht sich oft in Raten.
Die Bühnen, die wir einst betraten,
als ob es selbstverständlich wäre
- sie werden momentane Sphäre,
die wir nun nach und nach verlassen,
Wir möchten das ins Auge fassen,
wohin all unser Streben mündet
und letztlich die Erfüllung findet.

Wir erscheinen nur – gerufen –
und betreten jene Stufen,
wenn man unsere Stimme fordert
und zum Auftritt uns beordert.
In der Zeit dazwischen gelten
eigene Wert, eigene Welten,
die uns Grund zum Leben sind,
das durch sie an Wert gewinnt.

Unbeirrt

Selbst weißer Schnee vor Frühlings Türen
kann nicht an unserem Willen rühren,
sich zu ihm nunmehr zu bekennen,
von Winterzeiten sich zu trennen.

Auch weißes Haar soll nicht verheißen,
uns nun als Alte auszuweisen.
So manches glänzend weiße Haar
bedeckt im Grund nur wunderbar
den Geist, der in dem Innern blüht
und in den wachen Augen glüht.

Ab einem gewissen Alter

Ab einem gewissen Alter
lassen wir allen Trubel
und alle Hektik
um uns herum
über uns ergehen,
aber wir nehmen
nicht mehr daran teil.

Wir empfinden uns selbst
als Lagune
inmitten eines Korallenriffs,
an das von außen her
die Brandung unaufhörlich,
jedoch wirkungslos
heranwogt.

Alterseinsamkeit

Wie in ihren alten Tagen
Bäume über junge ragen,
fühlen wir uns bislang „oben“
–Jugendtreiben sanft enthoben.
Wenn die Alten um uns sterben,
stehen wir allein mit Erben,
die Erschafftes weiter hegen
und – so hoffen wir – es pflegen.
Weg von allem führt die Zeit,
und der Himmel wölbt sich   w e i t.

Alters – Erscheinung

Es ist wohl
eine Erscheinung
gereiften Alters,
dass wir alles,
was wir besitzen,
auf das konzentrieren,
was uns wesentlich
geblieben ist.

Alters -Genügsamkeit

Wir wechseln seltener die Kleider
und tragen manches Stück gern weiter,
weil wir den Weg zu ihm noch kennen
und uns nicht gerne von ihm trennen.
Es konnte uns soo   lange dienen
und ist uns deshalb wert erschienen,
es möglichst lange zu behalten
und Liebe zu ihm zu entfalten.
Genügsamkeit wird   unser Glück
– und Treue zu dem „guten Stück“.

Altersgrenzen

Bis zu einem gewissen Alter
verspürst du die Kraft in dir,
andere mitzutragen.
Ab einem gewissen Alter
wirst du dankbar dafür,
dass du mitgetragen wirst
von anderen, die dich mögen.
Wenn du zuvor
auch für andere da warst,
wirst du nie
ins Bodenlose fallen.
Du darfst dich wiegen
im Netz der Verbundenheit
mit anderen,
die dich zu schätzen wissen.

Altersrealismus

Reim -Form
Im Alter stirbt so manches ab,
was uns zuvor noch Hoffnung gab :
der Glaube, dass in dieser Welt
das Gute   d o c h   die Macht behält,
dass   mancher, der uns redlich scheint,
es letztlich wirklich ehrlich meint
–der doch im Zeitgeist tief verstrickt.
Nur ein naives Herz erschrickt.
Ein weises Herz   sieht dabei klar,
was Lug und Trug, was Wahrheit war
und distanziert sich meilenweit.
Es fühlt sich hierbei   nur befreit.
Offene -Form
Im Alter stirbt so manches ab,
worauf wir allzu lange
unsere Hoffnung setzten:
der Glaube, dass in dieser Welt
allüberall   d o c h
das Gute siegt
Dass mancher,
der uns redlich erscheint,
es letztlich wirklich
ehrlich mit uns meint.
Allzu viele sind
im Zeitgeist
tief verstrickt.
Nur ein naives Herz
erschrickt noch dadurch
Ein weises Herz
lässt sich nicht täuschen
und sieht klar,
was Lug und Trug,
was Wahrheit ist.
Es distanziert sich
Meilenweit davon
und fühlt sich hierbei
nur befreit.

Ambivalenz

Ein Ausziehtisch ist ja famos,
ist eine Festgesellschaft groß.
Im Alltag nervt derselbe Tisch,
denn er hat Platz für jeden Wisch !
Die Trennung davon fällt uns schwer.
Wenn doch der Tisch nur kleiner wär’!

 

Rat des Alters

Das Alter rät uns: konzentrieren
und alle Dinge aussortieren,
die wir so gut wie nie benutzen,
die als Besitz die Flügel stutzen,
um uns befreit emporzuheben
und – neuen Werten treu – zu leben.

Gedicht-Schatztruhe