Kurzprosa

Beachtung

Wenn wir für uns und unser Wirken Beachtung fordern, so muss dies nicht ein Zeichen übertrieben  egozentrischen Denkens sein. Der Menschen lebt schließlich davon, dass sein Bemühen respektiert und anerkannt wird. Wir gönnen anderen jegliche berechtigte Beachtung und Anerkennung und neiden sie ihnen nicht, fordern jedoch dasselbe für uns selber ein. Wird jedoch ein redliches Bemühen bewusst   übersehen und nicht beachtet beziehungsweise nach dessen Beobachtung keines Wortes gewürdigt, so stürzt uns dies in eine tiefe Krise unseres Selbstbewusstseins. In solch einer  inneren Stimmung finden wir auch nicht mehr die Kraft, uns zu dagegen wehren und zu erklären, wie uns zumute ist. Wir können dann nur mit Geduld und inneren Kraftreserven auf jenen Tag warten, an dem  jemand unser Wirken nicht nur wieder zu schätzen weiß, sondern dies – auch anderen gegenüber – hörbar bekundet.

Geburtstags-Freunde

Es gibt im Grunde zweierlei Arten von Freunden : solche, die immer wieder intensiv mit uns verbunden sind und sich auch die Zeit nehmen, eine Freundschaft mit uns zu pflegen und solche, die uns an Geburtstagen zwar euphorisch um den Hals fallen, dann aber wieder wochenlang kaum zu sehen sind, weil tausend andere Dinge ihnen dies verwehren oder ihnen auch einfach als wichtiger erscheinen. Oft gelten familiäre Verpflichtungen als Hinderungsgrund , solche Freundschaften intensiver zu pflegen. Dies mag in vielen Fällen berechtigt sein. Doch: Abgesehen davon, dass uns bisweilen etliche Freunde näher stehen als manche Verwandte, wird es zu einer Gradwanderung, ob man Verwandte "verliert", mit denen man sich im Grund sowieso auseinandergelebt hat, oder Freunde, auf die man hätte zählen können, wenn man sie gebraucht hätte.

Bei der nicht erst heute anscheinend allzu schnell vergehenden Zeit wird es immer gefährlicher, Begegnungen, die man eigentlich längst geplant hatte, noch einmal aufzuschieben, weil man nie weiß, ob der andere dann noch dafür ansprechbar oder überhaupt noch unter uns ist. Ein Vorhaben mit dem Satz "das machen wir mal. . ." auf die lange Bank zu schieben, ist eine Geste, die wir irgendwann einmal – zu spät – bereuen werden

Kaufkraft

Kaufkraft bezeichnet zum einen die Wirtschaftslage, die es Menschen ermöglicht, Waren in einem Maße zu erwerben, wie sie sie für ihr tägliches Leben brauchen.

Kaufkraft ist jedoch auch in anderer Hinsicht zu sehen: ob ich mir die Kauf- Kraft erhalten habe , auch bei begrenzter eigener Kaufkraft mich dazu aufzuraffen, lieber weniger zu kaufen, dafür jedoch Waren, die zum ersten auf unbedenkliche Weise hergestellt wurden und deshalb für uns gesund sind, die zum zweiten auch in Betrieben hergestellt wurden,  wobei Menschen bei ihrer Arbeit ihre Menschenwürde behalten und nicht verlieren, zum dritten die wirklich wertvoll und genussreich sind und wichtiger sind als vorerst eingespartes Geld und Warenberge, die wir aufgrund kurzer Lebensdauer schon bald wieder entsorgen müssen.

Korrespondenz

Die Wege der Kommunikation haben sich in den letzten Jahren rasant verändert.
Wurden früher noch vor allem Briefe geschrieben und vom Absender dem Empfänger teilweise sogar persönlich zugestellt, so schreiben viele bis die meisten Leute heutzutage eher mit dem PC Emails oder mit ihrem Handy eine SMS.

Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern viel mehr um Überlegungen, die hierbei oft nur im Stillen gehegt werden. Ich bevorzuge gegenüber Anrufen bis- weilen Briefe oder Emails, weil der Empfänger oder die Empfängerin einen Brief oder eine Email dann in Ruhe lesen kann, wenn er beziehungsweise sie hierfür Zeit und Muße hat. Ein Anruf könnte eventuell zu unpassender Zeit kommen, wenn der Adressat entweder überhaupt keine Zeit oder Lust zum Sprechen bzw. Antworten hat oder von seiner Stimmungslage her nicht gewillt ist, auf einen Anruf einzugehen und sich mit dem Anrufer und dem Anliegen seines Anrufs auseinanderzusetzen. Andererseits ist der Inhalt eines Briefs auch wieder einmal im wahrsten Sinne des Wortes festgeschrieben und kann nicht nachtäglich wieder durch Vergessen(-machen )ausradiert werden.

Die innere Auseinandersetzung mit dem, was man geschrieben hat, beginnt bis-weilen noch einmal nach dem Absenden. Es bedarf bisweilen eines gerüttelten Maßes an Geduld dazu, auf eine Reaktion eines Adressaten zu warten, ohne sich im Falle des längeren Wartens auf eine Antwort oder gar des Ausbleibens derselben den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Gründe hierfür ausschlaggebend waren oder sind. In solchen Fällen ist es ratsam, in einer Mitteilung gleich klar und deutlich um eine Antwort oder einen Termin zu eine klärenden Aussprache zu bitten. Bleibt diese Bitte unerwidert, muss man eben seinen Weg weiterziehen, ohne sich den Kopf darüber zu zermartern, was hierfür ausschlaggebend gewesen sein könnte.

Krise und deren Heilkraft

Eine Krise mag gewisse eine heilende, weil klärende Kraft in sich bergen. Ich kann  jedoch einfach nicht jenen gedanklich folgen, die sie als Allheilmittel in allen inneren Tiefen unseres Lebens – nahezu schwärmerisch – beschwören.

Eine Krise zieht uns zuerst und vor allem einmal tief herunter, sodass wir am Boden der Tatsachen liegen – nicht ruhen. Ob wir dann wieder die Kraft finden, uns erneut selber aufzurichten und wie lange dies dauern wird, ist im Augenblick der Krise nicht abzusehen. Als glaubwürdiger erscheinen mir da jene, die nicht nur Verständnis für solche Krisen aufbringen, sondern es auch offen und ehrlich auszusprechen wagen, dass es eben ungewiss ist, wie lange solch eine Krise dauern kann und ob es Menschen oder etwas anderes geben wird, was uns aus solch einer Krise zu erlösen vermag.

Zweierlei Gesichter

Menschen zeigen bisweilen unterschiedliche Gesichter. Die meisten Menschen, die mit ihnen umgehen,  bekommen nur eines davon  zusehen. Es kommt immer darauf an, in welcher Beziehung jemand zu dem betreffenden Menschen steht: ob er oder sie  ihn als Nachbarn, Bekannten, Vereinskollegen, Kumpel kennt und erlebt oder aber als Lebensgefährten, Ehepartner,  Vorgesetzten oder gar Kontrahent in einer strittigen Angelegenheit. Derselbe Mensch, der in gelöster Freizeitatmosphäre der verträglichste Mensch sein kann, wird bisweilen zur Bestie, wenn es um seinen jeweils eigenen Lebensstil oder seine  Interessen geht, die er meint, mit aller Gewalt durchsetzen oder verteidigen zu müssen. 

Wir fallen dann aus allen Wolken, wenn wir nur eine Seite dieses Menschen gekannt haben und  jemand, dem wir vertrauen, plötzlich die Maske  des einen uns bekannten Gesichts  von dessen Erscheinung reißt. Wir versuchen dann oft, uns das Bild von dem gemeinsamen Bekannten zu bewahren, das wir bisher von ihm kennengelernt haben und möchten auch nicht gleich leichtgläubig das so ganz andere Bild  übernehmen, das uns als für uns neues Bild von ihm geschildert wurde. Wir werden dem  Menschen mit den offensichtlich zwei Gesichtern allerdings künftig etwas vorsichtiger und zurückhaltender begegnen und ihm bei aller Freundlichkeit und Höflichkeit, die wir ihm gegenüber weiterhin bezeigen,  nicht mehr allzu euphorisch um den Hals fallen. Es bleibt die Hoffnung, dass der andere sich Gedanken darüber macht, was sein Gegenüber zu solch einer Verhaltensänderung bewegt hat. Im günstigsten Fall müsste solch ein Erkenntnisdruck so groß werden, dass der andere um ein Gespräch darüber bittet. Nur so und dann hat der Mensch mit den zwei Gesichtern die Chance, diese Doppelgesichtigkeit zu erkennen und gegebenenfalls sich zu ändern,  um jenes Gesicht zu zeigen, das ihn mit seinen Mitmenschen auf möglichst problemlose bis friedliche Weise zusammenleben lässt.