Manuskript

Todesangst Der Holzschnitzer
Herbstlicher Ahornstrauch Unbedachter Neid
Baumwipfel im November Abschied im Zenit
Novemberlandschaft  

 

Wesen- tliche

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Kurzprosa
Sinnsprüche
Gedichte
einer gesundheitlichen Krise
aus der Zeit vom 26.10. - 24.11.2005

 

"Dieses Manuskript sucht einen engagierten Verleger"

 


Todesangst

Wer die Todesangst
am eigenen Leibe erfahren hat,
wird danach
verändert weiterleben.

Allzu schnell gehören wir zu jenen,
die wir zuvor bedauert haben.

Es wird eines der großen ungelösten Rätsel bleiben,
warum gerade jene Menschen,
die auf ihren Feldern
viel (bewirken) wollten,
oft jäh aus diesen Feldern herausgenommen werden.

Wenn ein größerer, stärker Wille
die Macht über uns ergriffen hat,
bleibt uns nur noch,
sich ihm willenlos zu fügen.

Je älter wir werden,
desto behutsamer werden
unsere Schritte und Worte.

Glockenklang
ist der Widerhall
einer überweltlichen
und überzeitlichen Sinngebung.

Es hat keinen Wert, sich im nachhinein zu hinterdenken, sich zu hinterfragen und das Hirn zu zermartern, an welchen Irrwegen, Abwegen und Sackgassen wir selber schuld sind. Unsere innere Struktur lässt uns keine andere Wahl als d e n Weg zu gehen, der für uns vorgezeichnet ist. Von der Sackgasse aus öffnen sich die Wege wieder und werden immer breiter.

In Zeiten des Leidens kommt in Form von Anteilnahme und Mitsorge das zu uns zurück, was wir Zeiten der Gesundheit anderen getan und geschenkt haben.


Herbstlicher Ahornstrauch in der Sonne

Ahornstrauch im Sonnenlicht
– etwas Schöneres gibt es nicht !
Doch –verwurzelt in der Erden
muss es ihm zum Schicksal werden,
hier auch noch in grauen Tagen
festzustehn und zu ertragen,
dass die Nebel ihn umstreifen.
Wir erlernen zu begreifen,
jeden Tag neu zu bestehen,
mit dem Dunkel umzugehen.

In der Sackgasse fühlen wir uns noch sehr eingeengt und verängstigt. Jede auch noch so kleine Aussicht auf einen Ausweg öffnet unseren Blick auf neue Wege in die Weite.

Manche zauberhafte Begegnung wirkt im nachhinein wie eine Fata Morgana. Sie gleicht einer traumhaften Erfahrung, deren Wirkung anhält, auch wenn sie im Alltag in den Bereich der Erinnerung sinkt.

In dunkeln Stunden tut uns ein Zuspruch aus hellen Stunden gut. Er erinnert uns an Zeiten, in denen wir gesund waren, in denen es uns gut ging und wir auf unseren Wirkungsfeldern Beachtung zu ernten vermochten.

Zwischen Inseln der Begegnung musst du auf deinem Kurs alleine weiterrudern. Doch die Erinnerung an tiefe Begegnungen bildet den warmen Golfstrom für unsere Lebensfahrt, auf dem wir der nächsten Begegnung entgegensteuern.

Es ist im Leben sinnvoller, nach vorne zu blicken als zurück. An der Vergan-genheit ist nichts mehr zu verändern. Die vor uns liegende Zukunft jedoch ist mitunter noch durch ein entsprechendes Augenmerk in Wachsamkeit zu steuern und zu gestalten.

Wenn eine Weiche gestellt und der Zug durch ist, macht es wenig Sinn, die Weiche nochmals herumreißen zu wollen. Solch ein Bemühen bedeutete sinn-lose Kraftaufwendung.

Wenn man es sich einmal „abgeschminkt“ hat, Gott begreifen zu wollen, wird das Leben nicht unbedingt einfacher – aber man geht an vieles gelassener heran. Manche nennen dies Gottergebenheit. Im Grunde ist es ein Stück weit Resigna-tion aus der Erfahrung heraus, dass alles seinen Gang geht – ganz unabhängig von unseren Wünschen und Sehnsüchten.

Ein Leben im Vakuum
macht teilnahmslos.

Wenn wir doch nichts zu steuern vermögen, lassen wir resigniert die Arme hängen und lassen uns im Strom des Lebens treiben.

Ein jeder ist in dieser Welt
die meiste Zeit auf sich gestellt.

Es beruhigt, wenn uns wohlmeinende Menschen mitzutragen und zu begleiten bereit sind. Doch darauf verlassen können wir uns in Extremsituationen letztlich kaum.

Eine große Gnade liegt darin,
ein Werk schaffen zu können,
das Menschen nach Jahrhunderten immer noch
zu faszinieren vermag.

Worauf du wartest,
lässt auf sich warten.
Auch mit noch so vielen Augen
vermagst du den Zeiger einer Uhr
um keine Sekunde schneller fortzubewegen.

Es bedeutet eine große Leistung, mit dem eigenen Leid umgehen zu lernen. Eine unermessliche Leistung liegt jedoch in der Fähigkeit, mit Leid und Leiden anderer tagtäglich umgehen zu können und hierbei innerlich unversehrt zu bleiben.

Es sind die für uns wesentlichsten,
weil bedeutsamsten Erfahrungen,
die uns bisweilen den Schlaf rauben.

Wer die Zeichen an Weg
nicht zu lesen versteht,
geht in die Irre.

Jedes Blatt trägt in sich das Gespür dafür, dass mit dem Herbst die Zeit kommt loszulassen. Und wir klammern uns weiterhin an das, was wir einmal gepflanzt und lange gehegt und gepflegt haben.

Ein Baum steht zu seiner Statur
– auch ohne schmückendes Blattwerk.

Das Stehen zu eigenen Irrtümern
fordert das Verständnis
der Anderen.

Spontaneität ist eine geniale Gabe
– wenn die glückliche Hand der Weisheit sie führt.

Von Herbstblättern können wir lernen,
uns auch dann noch die faszinierende Wirkung
auf andere zu bewahren,
wenn wir am Boden liegen.

Bisweilen führt uns eine gütige Hand,
wenn wir etwas ins Reine bringen wollen.


Baumwipfel im November

Die Wipfel wiegen sich im Wind
– genau besehen: ja, sie zittern,
sie, die doch voller Ahnung sind
und Niedergang des Lebens wittern.
Das milde Licht, in dem sie stehen,
kommt recht verhalten aus den Wolken
Es braucht viel Hoffnung , es zu sehen
und ihm zum Ursprung hin zu folgen.
Der Frühling ist noch furchtbar weit.
Es gilt die Frist zu überbrücken.
Wer ausharrt, dem wird mit der Zeit
des Weisen Kunst letztendlich glücken.

Die Sonne verwandelt Regentränen
zu Perlen neuer Zuversicht.

Es gibt Blätter
– die bleiben auch in winterlichen Zeiten
dem Baum treu, dem sich einst entwuchsen.

Über einem Grab in der Novembersonne
weht ein Hauch von Ostermorgen.

Das lichte Blau eines Novemberhimmels
spiegelt das Meer der Ewigkeit wider.

Wenn Frauen in Führungspositionen gelangen – dann Gnade d e n Männern, die sich eigenverantwortliches Denken noch nicht abgewöhnt haben !

Das regelmäßige Staccato harter Absätze auf Asphalt oder Steinplatten gehört wohl einfach zum Klangbild junger, überaus selbstbewusster Frauen mit Tatkraft und Durchsetzungsvermögen. Es gibt sicherlich ebensoviele Männer dieser Eigenschaften. Doch diese machen nicht so viel Getöse, wenn sie ans Werk gehen. Ob dies wohl immer nur an der Art der Absätze liegt?

Unser Herz bleibt an Orten hängen,
wo wir Zuwendung und Liebe erfahren haben.

Nach einer liebevollen Pflege
in kranken Tagen
keimt das Wunder
eines gewissen Heimwehs
nach solchen Tagen.

Es gibt immer wieder einmal auch eine Liebe zu anderen Menschen oder auch zwischen Menschen, die nicht miteinander verheiratet sind – eine Liebe als tiefe Seelenverwandtschaft, die nichts und niemanden gefährdet und die dies auch nicht als Ziel verfolgt. Aber solch eine Liebe tut ebenso unheimlich gut – wie eine Liebe „in den üblichen Bahnen“.

Gesten des Gutseins
aus gesunden Tagen
kommen in Tagen der Krankheit
durch eine breite Anteilnahme
zu uns zurück.

Es gibt immer wieder Menschen, die es mit ihren belehrenden Ratschlägen gut mit uns meinen. Wenn sie es wirklich gut mit uns meinen, dann lassen sie uns den Freiraum für das, was uns innerstes Bedürfnis ist.

Es ist im Grunde schon eigenartig, dass einem erst oder nur im Krankheitsfall zugestanden wird, den eigenen Rhythmus, das eigene Tempo der Bewegung selbst zu bestimmen.

Es gibt Menschen, die sich in ihrem unauffälligen Fell der „grauen Maus“ wohl fühlen, die froh sind, wenn sie von niemandem mit etwasbehelligt oder gar belästigt werden. Solche Menschen dürfen sich allerdings auch nicht wundern, wenn sich niemand für sie, für ihre Interessen, Begabungen und eventuell in ihnen versteckten oder verborgen liegenden Möglichkeiten interessiert. Es gibt jedoch auch andererseits Menschen, denen etwas mitgegeben ist, was nicht nur ihnen selbst das Leben reicher macht, sondern auch anderen, die dankbarerweise davon profitieren könnten. Solche Menschen sollten den Mut dazu aufbringen, ein Symbol dessen, was sie in sich tragen, auf der Stirn oder der Brust vor sich herzutragen, um diejenigen, die ihrer Gaben bedürfen, darauf aufmerksam zu machen. Dies ist im Sinne des biblischen „Wucherns mit den verliehenen Talenten“ kein übertriebenes „Sich- Selbst- Produzieren“, sondern ein Not-wendiges, um die eigenen Kräfte nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere zu entfalten. Nochmals fast parallel zur Bibel: „Wer hat, dem wird auch gegeben“. Und : “Wer nichts hat, (oder es nicht zeigen will, dass er hat, dem wird auch das noch (oder die Möglichkeit, hiermit zu wirken ) genommen.

Manchen Brief sollte man dreimal schreiben,
ehe man ihn abschickt.

Das Herz und der Verstand sind ein überaus schwierig zu steuerndes Gespann. Galoppiert der Verstand allein voraus, und bestimmt er die Richtung, bewegt sich das Gefährt auf allzu nüchternen und wenig begeisternden Bahnen. Schlägt jedoch das Herz allzusehr aus und bricht aus der gemeinsamen Route aus, wobei es den Verstand mitreißt, lenkt es hiermit das gesamte Gespann in die Irre. Was bleibt von der hoffnungsvoll begonnenen Fahrt, ist am Ende ein Scherbenhaufen.

Wenn dich etwas beschäftigt und bewegt, das für dich höchste Dringlichkeit besitzt, so musst du den Ort weniger wichtiger Tätigkeiten verlassen und dich dorthin begeben, wo dein Handeln am dringlichsten erforderlich ist. Bisweilen ist es wichtiger, an einem Ort selbst aktiv zu werden, als woanders passiv teilzunehmen.

Empfinden wir uns im ‚Blick auf den Zeitgeschmack –auf das, was derzeit „in“ oder „modern“ ist – bisweilen hundert Jahre zu spät geboren, so vermag man-ches junge anmutige Wesen, das neue Frühlingsgefühle in uns erweckt, das gegensätzliche schmerzliche Empfinden und Bedauern auszulösen, dreißig Jahre zu früh geboren zu sein. Aber wer weiß, ob wir jenem so ansprechenden Wesen im Leben überhaupt begegnet wären ?

Es befremdet mitunter schon, wie ungewohnt einem die eigentlich vertraute Umgebung im eigenen Zuhause wird, wenn man in den Landen des Ausku-rierens heimisch geworden ist.

Es ist bisweilen schon deprimierend, wie schonungslos der Körper uns unsere Grenzen aufzeigt. Da schmerzt es einen direkt, dass man das Heulen der Seele verlernt hat. Und das Heulen der Seele ist für die meisten nicht hörbar.

Wenn (angeblich) soo viele für einen beten und sich doch längere Zeit nichts bis wenig ändert, kommt man mit der Zeit nicht um die Frage herum, ob Gott sich gegenüber denen, die auf ihn vertrauen (möchten), taub stellt ? ?

Bei allen gut gemeinten Therapien in Kliniken wie im täglichen Leben: Auch ein Terminplan kann zum Stress werden. Es gilt, für sich selber auszuwählen, was man verkraften kann, um für sich selbst einen Weg zum Heilerfolg zu finden.

Die Nebelbänke liegen auf halber Höhe. Für diejenigen, die am Boden sind und leben, bestehen klare Verhältnisse hinsichtlich ihrer begrenzten Lebensmög-lichkeiten. Für jene, denen es vergönnt ist, über den Wolken zu leben, eröffnen sich in anderer Weise klare, weite Horizonte. Nur jene, die im diffusen Licht des Halbdunkels schweben, eröffnet sich keine klare Sicht, wohin ihr weiterer Weg führen wird.

Im Bereich der Heilverfahren gibt es eine Sorte weiblicher Angestellter, die einen Umgangston pflegen, mit dessen Anweisungen sie zwar objektiv das Ziel des Heilverfahrens zu erreichen vermögen. Doch die nüchterne Distanz im Ton ihrer Anweisungen wird keinen Millimeter Fortschritt im seelischen Heilungs-prozess voranbewegen. Man wir diesem Ton hinnehmen müssen, beginnt jedoch dabei froh zu sein, mit solchen Menschen nur im Dienstbereich der Heilung umgehen zu müssen, doch niemals im Privatbereich. Eine andauernde

„seelische Gänsehaut“ wäre wohl unvermeidlich.

Die folgenden Überlegungen wandeln auf dem schmalen Grat zwischen Bana-lität und Aussagewert. Lebt man „so, wie es sich ziemt“, sind keine gesundheitlichen Beschwerden zu befürchten. Doch: Wer weiß schon, was sich für wen ziemt?

Der Eine bleibt gesund mit seinem üblichen Quantum an Rotwein pro Tag, der Andere bekommt spätestens beim zweiten Viertel eine roten Kopf und landet, wenn er trotzdem so weiterlebt, irgendwann auf der Intensivstation.

Hat man sich in der Lebensweise jedoch einmal „richtig danebenbenommen“ –dann wird es erst recht kompliziert. In mancher Rehaklinik schwirrt einem vor lauter Therapien nur noch so der Kopf – ganz abgesehen davon, welche Thera-pien man unter bestimmten Bedingungen nicht in Anspruch nehmen darf. Man kommt mit der Zeit gar nicht darum herum, einfach nur noch das zu tun, was einem gut tut , und sei es nur liegen, liegen und nochmals liegen, um im wahr-sten Sinne des Wortes zur Ruhe zu kommen, Musik- hören und abschalten. Dafür kann man manches teure Gerät abschalten.


Novemberlandschaft

Die Landschaft sonnt sich in den letzten Sonnenstrahlen
– gewiss, dass bald des Winters Grau sie überzieht
Sie lässt die Sonne nochmals bunter Bilder malen,
eh ihr die düstere Szenerie im Finstern blüht.
Das Licht – es kommt naturgemäß von Quellen,
die seit der Urzeit uns gegeben sind,
bevor wir künstlich Grau und Nacht erhellen
– bis einst im Frühling neu das Licht an Kraft gewinnt.

Eine ebenso gewohnter wie banaler Spruch: „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ Manchmal ist es ganz gut, dass sie vergeht. Es würde mit der Zeit auch im schönsten Urlaub die Zeit mit der Zeit langweilig werden, wenn ein noch so schöner Tag im Kalender sich willkürlich behaupten und dem nächsten Tag nicht seinen Platz einräumen würde. Es wäre nicht auszudenken, wenn ein schwarzer Tag voller Pessimismus, Weltschmerz und Depression nach einer endlosen Nacht den nächsten Morgen vor sich herschieben würde. So ist es ein Segen, dass nach einem misslungenen Tag immer wieder eine Nacht ihre Decke über alles breitet, was geschah (und misslang), auch, dass ein neuer Morgen mit seinem frisch erweckten Licht das Vergangene in den Schatten der zu Ende gegangenen Nacht stellt.

Frust kann uns lebenslang und in allen Altersstufen blind machen für Lösungswege, die durchaus erreichbar uns vor Augen liegen. Wie der Schüler, der weiß, dass er mathematisch unbegabt ist, bzw. dem dies immer wieder von verschiedenen Seitenbestätigt wurde und dies zu hören bekommt, so kapituliert der Erwachsene, der sich technisch unbegabt weiß, vor jedem unbekannten Knopf an einem Gerät. Er findet gar nicht erst den Mut, einen beliebigen Knopf und danach alle anderen Knöpfe auszuprobieren, um doch noch an sein Ziel zu kommen.

Ist der erste Knopf gefunden, der weiterhilft, so gleicht er dem großen Wacken-stein, den wir als Jungen früher in den Bach geworfen haben, um ihn – geprüft auf seinen Halt im Grund – als steinernes Element eines Pfades durch den Bach zu benutzen. Mit dem ersten festen Stein bzw. mit dem ersten richtigen Knopf am Gerät kehrt unser Mut, uns weiterzuwagen, zurück, und wir sind gerettet.

Ein Heilungsprozess ist auch immer eine Gratwanderung mit verschiedenen Anzeichen des Ringens –des Ringens mit Symptomen des Ringens, mit Ent-scheidungen des Arztes, mit Zeichen des guten Willens seitens des Patienten, aber auch mit Zeichen der Hoffnung.

Und wie ein Arzt das Recht und die Pflicht hat, seine Bedenken gegenüber einem Patienten deutlich zu machen, hat der Patient sicherlich ebenso das Recht, gegenüber dem Arzt deutlich zu machen, wo er Fortschritte im Heilungsprozess festzustellen glaubt, die für seine rechtzeitige Entlassung sprechen.

Allein handfeste Zeichen einer Erkrankung vermögen einen Patienten zurück-zuhalten, den Weg in die Freiheit der (selbst verantworteten) Gesundung anzutreten. Alles andere wirkt heilungshemmend.


Der Holzschnitzer

Der rechte Umgang mit dem Holz
ist eines Schnitzers Ehr’ und Stolz.
Sein Augenmerk vor allen Dingen
gilt bei dem Werk den Jahresringen.
Was sie erfüllt und was sie prägt,
was jenen Lebenslauf belegt,
den jeder Baum zu eigen hat
– all dies wirkt auf des Schnitzers Tat.
Wenn dieses Wissen ihn erfüllt,
gelingt es ihm, dass er enthüllt,
was er aus einem Holz befreit
– als Abbild unserer Wirklichkeit.
Wir schnitzen a l l e unser Leben
zu d e r Gestalt, die w i r ihm geben

Unsere Kunst, die wir beherrschen und die wir anderen zu geben haben, muss uns so viel wert sein, dass wir sie nicht überall und jedem vorführen, sondern nur vor jenen, die sie zu schätzen wissen. Es gilt die Umgebung aufmerksam zu beobachten und hierbei zu prüfen, ob sie empfänglich ist für das, was wir zu geben – hätten. Andernfalls werden wir unsere Kunst zwar „ausspucken“, danach jedoch einen faden Geschmack im Mund zurückbehalten.

Es gehört auch eine gewisse Reife dazu, sich selber nicht mehr Frustration als nötig zuzumuten. U n d es bedarf auch einer ausreichenden Geduld, um auf den rechten Zeitpunkt warten zu können, zu dem unsere Kunst dankbar als Geschenk empfunden wird.

Es ist im Leben oft und immer wieder so: Ein Mann lässt über vieles mit sich reden –und stellt im nachhinein fest, dass er im Grunde doch allzu gutmütig war. Eine Frau vermag hingegen keine Kompromisse zu machen sieht dabei keine Möglichkeit, dem andern – schon gar nicht einem Mann – entgegenzukommen. Sie ist im nachhinein wohl gar noch stolz darauf, sich gegenüber einem Mann als Frau behauptet zu haben.

Für manche Menschen ist der Begriff „Lebenslanges Lernen“ eine Zauber-formel, die sie immer wieder mit einem Hauch heiliger Ehrfurcht fast beschwö-rend wiederholen. Allerdings: Es gibt eine gewisse Schwelle des Alters oder – treffender ausgedrückt – „reifer Gelassenheit“ aus innerer Distanz. Wenn wir diese Schwelle einmal überschritten haben, sind wir nicht mehr so sehr erpicht darauf, immer noch und immer wieder Neues hinzuzulernen. Dies hat nicht unbedingt etwas mit „geistiger Trägheit“ zu tun. Wir wollen vielmehr (endlich) von d e m leben und zehren, was wir bereits ein Leben klang erfahren und gelernt haben. Was uns wirklich wichtig, weil wesentlich ist, eignen wir uns ganz von selber an, merken es uns und lernen es auch, im Gedächtnis zu behalten.

Ein ganz banales Beispiel: So wertvoll es für das Gedächtnistraining sein mag, einen Einkaufszettel auswendig zu lernen und sich hinterher möglichst viel da-von zu merken –im Alltag wird niemand eine Einkaufszettel schreiben und dann im Bemühen, sich ihn zu merken, ohne den Zettel einkaufen gehen. Unterwegs bestehen soo viele Möglichkeiten der Ablenkung durch das, was wir sehen, durch Menschen, die uns unterwegs begegnen, das wir bei der Ankunft im Ge-schäft ohnehin wohl nur noch einen Teil des Zettels behalten hätten. Ohne den Zettel „verzetteln“ wir uns sicherlich durch solche Beobachtungen und Begeg-nungen, aber m i t dem Einkaufszettel leben wir einfach abgesicherter.

Auch h i e r gilt die Devise: Man muss nicht alles wissen und sich merken. Man muss nur wissen, wo es auf (selbst auf Zetteln) geschrieben steht bzw. wo es (in der Wohnung zum Beispiel) aufgehängt ist.

Bisweilen begegnen wir in einer Situation krankheitsbedingten Ausgesondert- Seins notgedrungen Menschen, die ganz anders gestrickt sind als wir. Es gilt jedoch, sich von solchen Menschen nicht gänzlich abzuschließen, sondern trotzdem Wege zu gemeinsamem Tun zu suchen – und sei es „nur“ bei Frei-zeitaktivitäten wie beim Kegeln.

Sich vollkommen abzuschließen würde bedeuten, sich selbst zu isolieren. Es wäre solchen Menschen auch kaum verständlich zu erklären, was uns dazu be-wegt, nicht die Gemeinschaft mit ihnen zu suchen. Schließlich sollen solche Menschen uns doch auch in angenehmer Erinnerung behalten als einen Men-schen, der die Freizeit mit ihnen geteilt hat.

Wir würden ihnen –wenn überhaupt – nicht in guter Erinnerung bleiben, wenn wir uns nach einem ersten Kontakt mit ihnen wieder zurückgezogen und von ihnen abgesondert hätten. Hierdurch hätten wir eben, weil wir unsere Gründe kaum verständlich darlegen konnten, nur den Eindruck eines arroganten Men-schen hinterlassen. Die Hoffnung bleibt, dass wir irgendwann wieder auf Men-schen treffen, die mehr unsere Wellenlänge entsprechen.

Sooft wir auf Menschen treffen, ertappen wir uns immer wieder einmal dabei, dass wir andere Menschen von ihrem Äußeren her in jene Kategorien einordnen (möchten), die wir bereits aus unserem Umfeld kennen mit Gedanken wie „Der /Die sieht aus wie . . .“ oder „Das ist ein Typ wie . . .“Wir sind dann – im Grunde unbegreiflicherweise – erstaunt, wenn der oder die Besagte eine ganz andere Sprachmelodie offenbart oder einen anderen Dialekt spricht, als der Typus, mit dem wir ihn oder sie verglichen haben.

Was wir hierbei übersehen haben: Jeder Mensch trägt in sich je nach Herkunft und Umfeld eine jeweils eigene „Seelen- Geographie“ in sich, die ganz unab-hängig ist vom äußeren Typus. Würden wir jedem Menschen ganz unvorein-genommen gegenübertreten, würden uns solche Überraschungen – oder auch „Enttäuschungen“ – erspart. Aber vielleicht sind gerade solche Überraschungen – so lange sie Überraschungen bleiben und sich nicht in Enttäuschungen verwandeln –gerade das Salz in der Suppe unserer Begegnungen.

Es gibt Projekte, die einer Idee von dir entsprungen sind, die du selbst ins Leben gerufen hast und die somit aufgrund der Prägung durch deine Persönlichkeit einen Eigencharakter besitzen. Bei solchen Projekten musst du auch selbst die Fäden in der Hand behalten, wenn du den Eigencharakter solch eines Projekts erhalten willst. Da macht es keinen Sinn, bei aller Gutmütigkeit einen anderen in dieses Projekt einzubeziehen, seine Mitwirkung zuzulassen oder ihm sogar Priorität im Agieren einzuräumen.

Hast du dies einem einzigen Menschen e i n m a l zugestanden, wirst du dich vieler erwehren müssen, die plötzlich ebenso „auf der Matte stehen“ und mit-wirken wollen. Und du kommst unnötigerweise in Rechtfertigungszwang, dass du e i n m a l, ein einziges Mal eine Ausnahme gemacht hattest. Das hat alles nichts mit Egozentrik zu tun, sondern eben mit dem Eigencharakter deines Pro-jekts, das diejenigen zu schätzen wissen, die eben aufgrund dieses einmaligen Eigencharakters daran teilnehmen.


Unbedachter Neid

Ach, wie habt ihr’s gut, ihr Ziegen !
Euch muss nur am Herzen liegen,
euch mit Gräsern vollzufressen !
Alle Welt dürft ihr vergessen !
Was wir Neider nicht bedachten:
E u c h wird man am Ende – schlachten!


Abschied im Zenit

Was eine Landschaft reizvoll macht,
ziert auch den Menschen : weiße Pracht.
Eines alten Menschen Haar
schmückt den, der nun Jahr für Jahr
dankbar stets entgegennimmt.
Was im Bild des Reifens stimmt :
Weiß hat uns emporgeführt,
Abschied zum Zenit gekürt.

Machen wir mit Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe schlechte Erfahrungen, so sind wir – oft allzu schnell –dabei, die gesamte Bevölkerungsgruppe oder Nation danach zu be- und verurteilen. Begegnen wir indessen einem Einzelnen dieser Bevölkerungsgruppe, der einen sympathischen Eindruck auf uns macht, so werden wir dazu angeregt, unser allzu schnell gefälltes Urteil zu revidieren.

Eine ganz andere Sache ist es, wenn eine ganze Staatengemeinschaft in ein Staatenbündnis drängt. Hierbei geht es um die gesamte Nation. Es ist hier nicht möglich, auszuwählen, wer aus der Bevölkerungsgruppe in die Staatengemeinschaft darf und wer nicht. Somit fällt den Gutwilligen aus der eventuell verschmähten Bevölkerungsgruppe das Los zu, die Folgen der unguten Verhaltens- und - Ausdrucksweisen ihrer Mitbürger ausbaden zu müssen

Im Bemühen mitzudenken kommen uns bisweilen tausend Ideen. Doch wie bei einem lebenden Zaun müssen diese nach dem Wachsen und Aufblühen beschnit- ten werden auf jene Formen, die letztlich als machbar erscheinen. Ein Wild-wuchs an Ideen würde von anderen nicht akzeptiert und bisweilen gar als spin-nig abgetan.

Wenn eine Idee auf das Machbare zugeschnitten erscheint, dann hat sie auch be-rechtigte Aussichten, verwirklicht zu werden.

Der Ausdruck „Rauhreif“ besteht nicht umsonst aus zwei zusammengesetzten Wörtern. Wer reif ist, das heißt: Reife besitzt, reagiert bisweilen rauh auf unreife Vorstellungen, allerdings nur im Bemühen, bei Gedanken, Vorstellungen und Einstellungen die Spreu vom Weizen zu trennen und der Unreife eine Absage zu erteilen.

Bekanntlich erleben wir die Zeit bisweilen ganz unterschiedlich. Bei Tätig-keiten, die uns Spaß machen, vergeht die Zeit im Flug, während sie sich bei Tätigkeiten, die uns schwer fallen, oder anöden, stillzustehen scheint. So scheint eine Nacht auf einer Intensivstation, wenn wir nicht schlafen können und mit den Augen den Zeiger einer Uhr verfolgen, nicht enden zu wollen.

Werden wir urplötzlich aus all den Gebieten herausgerissen, wo wir für uns Aufgabenfelder sahen, scheint vor uns eine in schmerzlicher Weise endlose Zeit zu liegen, in der uns so vieles bis alles verwehrt ist, was uns Freude macht und erfüllt.

Mit der Zeit kommt eine Zeit, in der wir zu uns selber kommen. Eine gewisse Traurigkeit über das Abgeschnittensein von allen lieb gewonnenen Aufgaben ist – gerade in Zeiten des Leidens – zwar noch vorhanden. Doch der wohltuender Freiraum für uns selber und die spürbare Genesung versöhnt uns mit unserem Los. Wir verspüren sogar eine gefühlsmäßige Veränderung, was die Zeit in der Klinik während der Woche und an Wochenenden zu Hause anbetrifft.

Wenn wir spüren, dass wir in der Klinik gut aufgehoben sind und uns mit dem dortigen Ablauf abgefunden haben, kommt uns bei einem Wochenendurlaub das eigen Zuhause plötzlich eher fremd vor, und wir beginnen uns zum Ende des Wochenendurlaubs hin direkt nach dem neuen Zuhause der Klinik zu sehnen

– nach der Klinik, wo wir uns im derzeitigen Augenblick mehr zu Hause fühlen als in unserem tatsächlichen Zuhause.

Sobald es uns wieder besser geht – so gut, dass wir neue Kräfte in uns verspüren für die Aufgaben, die auf uns warten, beginnt sich die Zeit wieder zu dehnen, bis wir endgültig nach Hause entlassen werden können. Im Zuge diese Verän-derung wiederum gewinnen wir den Eindruck, dass die Zeit des Klinikaufent-haltes doch unerwartet schnell vergangen ist. So hängt die Erfahrung der Zeit in hohem Maße davon ab, was wir im Augenblick empfinden: Ungeduld, Ruhen in uns selber, im jeweiligen Augenblick oder auch Vorfreude auf ein bevorstehen-des Ereignis.

So groß unsere Begeisterung für einen Meister auf irgendeinem Gebiet sein mag –wir müssen uns von ihm und seinen Spuren lösen, wenn wir ein eige-nes Werk –unser eigenes Meisterwerk – schaffen wollen. Wir können dem Denken des Meisters tief verbunden bleiben, müssen jedoch eigene Wege gehen und eigene Ziele ausmachen, wenn unser Werk nicht zu einem Ab-klatsch des Meisters werden soll, den wir berechtigterweise verehren.

Bei jedem Umzug – und sei es auch kein großer von Ort zu Ort, Haus zu Haus oder von Wohnung zu Wohnung, sondern nur aus einer Klinik zurück ins eigene Zuhause – nehmen wir nicht nur unsere Utensilien in Koffern und Taschen mit uns. Wir tragen in uns vielmehr auch beseelte Bilder und Eindrücke, Bilder von Situationen, die uns tief beeindruckten und die den Augenblick prägten. mit uns fort. Wir tragen im Herzen mit uns auch Menschen, die wir dort schätzen und lieben gelernt haben. Solche Bilder und Eindrücke geraten zu neuen Seiten in unserem inneren „Seelen-Atlas“. Sie entsprechen als Mosaiksteine unserer See-lengeographie, die unseren Lebensweg prägt und die uns mit unseren Lebens-erfahrungen unverwechselbar macht. Wer Bestimmtes erlebt und erfahren hat, wird in entsprechender Weise auf neue Erfahrungen reagieren und mit solchen Erfahrungen aufgrund des bereits Erlebten in entsprechend modifizierter Weise umgehen. Unser Herz wird weiter werden und jeweils für jene Menschen einen Platz finden, die uns ans Herz und ins Herz gewachsen sind.

Ein Weg, den wir – wenn auch nur eine begrenzte Etappe lang – mit einem Menschen gehen, kann durch eine noch so triste und langweilig wirkende Landschaft führen. Allein die Möglichkeit, uns mit unseren Erlebnissen und Erfahrungen auszutauschen, kann die Wegstrecke bereichern und so beleben, dass wir hinterher trotz alledem zu der einfach klingenden, aber letztlich recht inhaltsreichen Bilanz gelangen: „ Es war schön“.

 


 

Gebündelte Gedichte und Sprüche

Frühlings-Blütenlese

Verständlicher Blumen-Seufzer